Hans Reimann,
Schriftsteller (18. 11. 1889 Leipzig – 13. 06. 1969 Schmalenbeck bei Hamburg)
Pseudonyme: Hans Heinrich, Artur Sünder, Hanns Heinz Vampir, Max Bunge, Andreas Zeltner
Hans Reimann wurde als Sohn eines Kohlenhändlers in Leipzig geboren. Nach dem Gymnasium erfolgte die Ausbildung zum Graphiker an der
Akademie in München (Schutzumschläge für den Kurt-Wolff-Verlag), danach Studium der Philologie und Kunstgeschichte an der Universität
München. 1914-18 Kriegsteilnahme als Leutnant.
Hans Reimann war Herausgeber und Autor der satirischen Zeitschriften „Der Drache“ (1919–21) und „Das Stachelschwein“ (1924-29), Mitarbeiter
von „Weltbühne“ und „Simplicissimus“. Freundschaften mit Siegfried Jacobsohn, Walter Mehring, Joachim Ringelnatz, George Grosz u. v. a.
In den frühen zwanziger Jahren gründete Hans Reimann sein eigenes politisch-satirisches Kabarett „Die Retorte“ in Leipzig, die bald zu einer
der ersten Kleinkunstadressen wurde. Vorstellungen waren regelmäßig ausverkauft. Hier traten u. a. Walter Mehring auf und Max Herrmann-Neiße,
Joachim Ringelnatz und der Chef selbst. Zum ersten Mal auf einer Kabarettbühne stand dort auch Erich Weinert, der linkspolitisch engagierte
Autor, der mit seinen brillant gereimten Satire-Versen bald zum „Hausdichter“ der „Retorte“ wurde. 1923 leitete Reimann das Kabarett
„Astoria“ in Frankfurt/Main, trat danach als Kabarettist auf in Düsseldorf, Karlsruhe, Kassel, Mannheim, Magdeburg, Hamburg, Bremen,
Breslau, Wien, Prag, Zürich. 1930-31 Filmschauspieler („Eine Stunde Glück“, „Stürme der Leidenschaft“), Rundfunkarbeit in Frankfurt/Main,
Leipzig, Berlin und an anderen Sendern. Kabarettist in der „Bonbonniere“ (München), Freundschaft mit Fred Endrikat und Karl Valentin;
1931-33 Autoreise durch den Balkan, den Vorderen Orient, Ägypten und Griechenland („Motorbummel durch den Orient“, 1942, und „Reimann reist
nach Babylon“, 1956). Während der Nazizeit wurde Reimann boykottiert (siehe: "Drittes Reich"!), schrieb Filme und Hörspiele,
die nur anonym erscheinen konnten oder abgelehnt wurden. Bis 1941 hatte Reimann seinen ständigen Wohnsitz in Berlin, schrieb 1935 für Henny Porten
den Sketch „Kohlhiesels Töchter“, der in der „Skala“ gespielt wurde. 1936 verfasste er zwei Beiträge über Orthographie und Naturheilverfahren für die
SS-Zeitung „Das Schwarze Korps“, lehnte dann weitere Mitarbeit ab. 1937-38 Redakteur beim „Kladderadatsch“.
Während des Krieges dienstverpflichtet zu Auftritten in Italien, in der besetzten Sowjetunion, Finnland und Norwegen. Von 1952-69 gab Reimann
den heiteren literaturkritischen Almanach „Literazzia“ heraus, deren Verfasser er auch war. Seit 1952 bis zu seinem Tode 1969 lebte Reimann
mit seiner dritten Frau, der Filmschauspielerin Wilma Bekendorf (1910–2005), in Schmalenbeck bei Hamburg.
Hans Reimann begann mit schonungslos kritischen Satiren auf verknöcherte, unpädagogische Gymnasiallehrer der Wilhelminischen Ära
(„Das Paukerbuch“, 1916, „Lausbub in Leipzig“, 1930). Bekannt wurde Reimann mit seinen zuerst im Kabarett
vorgetragenen „Sächsischen Miniaturen“ (1921-31), in denen er sich parodistisch des sächsischen Dialekts bedient und Anekdoten erzählt, u. a.
auch über König Friedrich August III. in „Dr Geenij“ (1923). Letzteres war Anlass einer Privatklage des entthronten Monarchen und führte zur
Verhaftung Reimanns in Breslau. In treffenden Parodien setzte sich Reimann mit dem antisemitischen Machwerk Dr. Artur Dinter, „Die Sünde wider
das Blut“ auseinander („Artur Sünder: Die Dinte wider das Blut“. 1921), genauso mit der Kriminalromanproduktion von Edgar Wallace („Männer,
die im Keller husten“, 1929), mit Kitschromanautorin Hedwig Courths-Mahler („Schlichte Geschichten fürs traute Heim“, illustriert von George
Grosz. 1922) und Hanns Heinz Ewers (Hanns Heinz Vampir: "Ewers. Ein garantiert verwahrloster Schundroman in Lumpen, Fetzchen, Mätzchen und
Unterhosen“, 1921). 1927 entstand nach dem tschechischen Original die Bühnenfassung des Romans von Jaroslav Hašek „Der brave Soldat Schwejk“, die
Reimann zusammen mit Max Brod für die Piscator-Bühne (1928) schrieb, und die bis heute immer wieder gespielt wird. 1931 betrieb Hans Reimann
persönliche Studien als „Gastschüler“ auf dem Gymnasium in Neusalz a. d. Oder und schrieb während dieser Zeit den Roman „Die
Feuerzangenbowle“, mit dem der Rechtsanwalt Heinrich Spoerl berühmt geworden ist (siehe: "Feuerzangenbowle"). Nach der gleichen
Vorlage verfasste Reimann das Drehbuch zum Film „So ein Flegel!“, in dem Heinz Rühmann eine Doppelrolle spielt. 1959 erschienen die Memoiren
von Hans Reimann, betitelt „Mein blaues Wunder“. Es ist ein buntes Kaleidoskop der heiteren Muse, der satirischen und
literarischen Zeitschriften, einer bemerkenswerten Epoche mit klangvollen Namen und nicht zuletzt des eigenen bewegten Lebenslaufes des
großen Schriftstellers.
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